Mit Marketing haben die meisten von uns nix am Hut, Narzissmus finden wir peinlich – und doch behaupte ich, dass meine Generation das Selfmarketing so krass verinnerlicht hat, dass ihr das eigene Gehabe schon gar nicht mehr auffällt.
Von Angelika Imhof
Du hörst Selfmarketing und du denkst sofort an Selfies und einen realitätsfernen Instagram-Kult. Aber das mein ich gar nicht. Beziehungsweise nicht nur. Selfmarketing ist eine Art soziales Phänomen, das längst nicht nur mit den sozialen Medien zu tun hat. Vielmehr beobachte ich, dass sich fast alle andauernd selbst vermarkten – auch jene, die gar kein Facebook, Instagram oder Snapchat haben.
Was also meine ich damit genau?
Ich meine beispielsweise die Gespräche mit Freunden, Kollegen oder auch einem ersten Date. Du schilderst, wie du allein durch Osteuropa getrampt bist und wie gastfreundlich die lokale Bevölkerung war. Erzählst du auch wie verdammt einsam du dich manchmal gefühlt hast? Eher nicht. Ihr sprecht über Sportarten und du schwärmst von deinen ersten Surfversuchen im Surfcamp in Portugal. Dass du es gehasst hast, die ganze Zeit Salzwasser zu schlucken, behältst du für dich. Du erzählst von Erlebnissen, von Begegnungen, von Träumen. Dazwischen hat durchaus auch mal ein Missgeschick oder ein Misserfolg Platz. Aber Missgeschicke werden mit einem selbstironischen Lachen vorgetragen, sodass sie dich dadurch nur umso liebenswerter machen und Misserfolge werden mit einem Optimismus-Satz abgerundet wie „aber war ne gute Erfahrung.“
Scheiss-Erfahrung – gute Story
Nun denkst du: Okay, das trifft vielleicht auf die Small-Talk-Plänkelein mit Hoi-Tschau-Bekanntschaften oder Gesprächsbuddies an WG-Parties zu, aber doch nicht auf die Gespräche mit meinen richtigen Freunden, die ich seit Jahren in- und auswendig kenne. Sicher? Sie kennen vielleicht all deine Höhen und Tiefen, aber meistens nicht, weil sie sie direkt miterlebt haben, sondern nur weil du ihnen davon erzählt hast. Im Nachhinein, bei Kaffee und Kuchen oder einem Bier, wohlsortiert und weichgezeichnet. Deine schmerzhaft Erfahrung ist nun eine Story-to-tell und macht dich für den besten Freund nur zu einem umso spannenderen Gesprächspartner. Letztlich ist auch das ist eine Art Selfmarketing.
Typisch Fast-Beziehung
Man könnte meinen, dass diese Art, das eigene Leben zu polieren immerhin in Liebesbeziehungen aufhört. Für die zeitgenössisch so beliebten Fast-Beziehungen trifft das aber schon mal nicht zu. Denn gerade das Unverbindliche dieser Beziehungsform zwingt dazu, dass man sich ständig neu beweisen muss und dieser Selfmarketing-Fake oft über Monate anhalten kann.
Aber was ist mit den Pärchen, die seit Jahren in einer festen Beziehung sind? Vielleicht haben die es tatsächlich auf eine Ebene geschafft, wo auch mal unbegründete Ängste, verzehrende Selbstzweifel und Gefühle der Orientierungslosigkeit geteilt werden. Nur: Sobald die Freunde des Partners dazukommen, geht das Selfmarketing paradebeispielshaft wieder von vorne los, denn es gilt ja auch die Freunde des Partners für sich zu gewinnen – und zu behalten.
Selfmarketing ist normal geworden, weil es alle tun. Ständig. Die einen subtil, die anderen unverblümt. Die einen engagieren sich ehrenamtlich, die anderen posten einen Artikel auf Facebook und deklarieren damit ihre politische Ausrichtung. Falsch daran ist gar nichts – im Gegenteil. Falsch ist nur, wenn bestritten wird, dass sich dahinter zuletzt nicht auch eigennützige Absichten verbergen.
Foto: Marc Kästner