Schönheit im Moment der Offenbarung

Du wandelst durch den Garten der Früchte.
Es beäugen dich die erdbeerrote Wollust des Apfels
und die traubenviolette Schüchternheit der Zwetschge.
Es begrüssen dich die zitronengelbe, direkte Rede der Banane,
und das kernige Lachen der limettengrünen Birne.
Es kokettieren die eitle, orange Aprikose
und die baumelnde, brombeerrote Kirsche.

Die Fülle der Früchte hängt dir ins Gesicht.
Aber dein Auge hat eine Frucht entdeckt, die deine Hand nicht erreicht.
Objekt der Begierde, Inbegriff des Vollkommenen, Illusion der Perfektion.
Sie ist nicht wie ein Apfel der wie eine Birne aussieht, nicht wie eine Himbeere, die einer Brombeere gleicht, nicht wie eine Mandarine, die für eine Orange gehalten wird.
Sie ist alles, aber nichts konkret.
Sie ist das Ideal, das deine Phantasie erschafft.

Ihr Fruchtduft betört dich, ihre Präsenz setzt dich ins Delirium.
Du willst sie pflücken, du willst sie schälen und das verborgene
Innere herausarbeiten und dein Eigen nennen.

Du kletterst den Stamm hinauf. Hoch und höher. Du rutscht ab. Die Frucht strahlt und glänzt. Endlich: deine Fingerspitzen berühren die menschlich seidig-glatte Haut dieser Paradiesfrucht.

Da fällt sie. Landet hart. Die Haut bekommt Dellen und Flecken. Das Innere quillt heraus, breitet sich aus und erscheint dir nicht mehr appetitlich. Ein Wurm bahnt sich seinen Weg aus dem Fruchtmark. Du wendest deinen Blick ab. Hungrig schweift er weiter.

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