#Metoo hat ein verstärktes Bewusstsein für den allgegenwärtigen Sexismus in unserer Gesellschaft geschaffen, dachte ich. Man(n) überlegt nun zweimal, bevor man einen sexistischen Spruch reisst. Falsch gedacht. Gerade erlebt eine gute Freundin von mir am Arbeitsplatz das genaue Gegenteil: Nicht nur werden ihr sexistische Sprüche vom Gröbsten serviert, sondern der #metoo-Diskurs wird auch bewusst aufgegriffen und ins Lächerliche gezogen.
Von Angelika Imhof
Seit im Herbst die grosse #metoo-Debatte aufgekommen ist, habe ich mich immer wieder mit Freundinnen darüber unterhalten und sie gefragt: Gilt das für euch auch – „#metoo“? Die meisten hatten die gleiche Antwort wie ich: Eigentlich nicht. Hinsichtlich der medialen Präsenz des Themas und der Commitments so vieler (wenn auch unbekannter) Frauen, fragte ich mich schon: Habe ich was übersehen? Etwas vergessen? Verdrängt?
Am Arbeitsplatz oder an der Uni wurde ich jedenfalls nie mit Sexismus konfrontiert und fühlte mich von den Männern stets respektiert. Insofern hat mich die #metoo-Thematik bis anhin zwar beschäftigt, aber nicht unmittelbar betroffen. Eine Hollywood-Enthüllung nach der anderen hat da auch nicht geholfen, das Thema meinem Alltag und Umfeld näher zu bringen.
Ich kam also zum Schluss, dass es wohl an dem Milieu, in dem ich mich bewege, liegen muss, dass ich bisher verschont blieb. Alles gebildete, aufgeklärte, grösstenteils junge Leute. Aber genau das gilt auch für meine Freundin. Nennen wir sie Tina. Tina arbeitet zurzeit in einem Zürcher Start Up. Kaum ein Mitarbeiter ist über 30, fast alle haben studiert. Hindert sie aber nicht daran, Sprüche auszuwerfen wie:
„Du hast zwar kleine Brüste, aber ich bin sowieso eher der Po-Typ, von dem her: Still in the game!“
„Es gibt nur zwei Gründe, warum du dir am Wochenende die Haare hochbindest: Um zu kotzen oder um einem Typen einen zu blasen.“
„Du hast zwar einen kleinen Mund, aber Hauptsache er ist gross genug, damit du einem Typen einen blasen kannst.“
W h a t t h e f u c k ?
Tina erklärt, dass die Jungs eigentlich sehr okay sind und dass diese Sprüche alle unter Alkoholeinfluss gefallen sind. Aber ich finde, dass ist keine Entschuldigung. Das heisst ja nur, dass sie sich jetzt getrauen Sprüche zu sagen, für die ihnen sonst der Mut fehlt, die aber ‚da‘ sind. Und genau das ist das Problem: Dass sie überhaupt ‚da‘ sind.
Ausserdem sind das nur die derbsten – auch während der Arbeitszeit und ohne Alkoholeinfluss wird oft verbal unter die die Gürtellinie gezielt.
Tina relativiert das Ganze, nimmt die Jungs fast schon in Schutz und sagt: „Es liegt halt auch einfach an meiner offenen Art. Das motiviert die. Die denken, ich kann so Sprüche schon wegstecken.“
Geradezu paradehaft wird vorgeführt, wie sehr wir darauf eingestellt sind, den Fehler bei uns zu suchen. Dabei sollte ganz bestimmt keine Frau für ihre offene, schlagfertige Art büssen müssen und dafür solche Kommentare akzeptieren.
Das tut Tina auch nicht. Sie wehrt sich. Sagt den Jungs ins Gesicht, was sie gerade für eine sexistische Scheisse produziert haben und dass das definitiv zu weit ging. Darauf folgen dann einerseits so Kommentare wie:
„Sei doch nicht so eine zickige Feministin!“
„Haha postest du das gleich auf Facebook mit dem Hashtag metoo?“
Andererseits wird sie mit Kommentaren abgewiegelt wie:
„Sei doch nicht so“, „ist doch nur Spass“, „nimm das lieber als Kompliment“, „das ist einfach deren Art, dir zu zeigen, dass sie dich lieb haben.“
Ja genau. Würdest du es also auch okay finden, wenn dein bester Kumpel so zu deiner Freundin spricht – weil er sie ja ach-so-lieb hat?
Hauptsache erst jemandem ins Gesicht schlagen und dann so tun, als habe man ihn gestreichelt – hallo verzerrte Wahrnehmung. Trump scheint dieses Problem auch zu haben. So nebenbei.
Immerhin hat Tina nun einen Weg gefunden, wie sie zu den Typen durchkommt – nämlich indem sie einzeln mit ihnen spricht. Immerhin einer hat daraufhin gemerkt, dass er zu weit gegangen ist, sich bei ihr entschuldigt und hält sich nun zurück. Bleibt zu hoffen, dass es für die anderen auch bald heisst: #themtoo.
Was wäre denn das schlimme an sexuellen Sprüchen?
Wenn man gemerkt hat, dass sie in dem Bereich locker ist, dann wäre es ja etwas individuelles.
Sex ist ja an sich nichts schlimmes. Wenn Kollegen auch Freunde sind, dann tritt der Arbeitsplatz Charakter eben immer mehr zurück
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Das schlimme an solchen Sprüchen ist, dass sie die Frau auf ihre sexuellen Attribute reduzieren. Es entsteht der Eindruck, dass die Frau nur als Objekt gesehen wird, als Funktionswesen, das möglichst gut blasen können soll und möglichst grosse Brüste und einen knackigen Po aufweisen soll. Es ist in dem Sinn degradierend, wenn man als Frau/Mensch auf diese Merkmale reduziert wird. Es stimmt, es ist sicher individuell, wo die persönliche Schmerzgrenze liegt, aber wenn jemand schon äussert, dass gewisse Sprüche inakzeptabel sind und diese Person dann nicht ernst genommen wird, dann ist das definitiv nicht okay.
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Und wenn eine Frau zb sagen würde sie hätte gerne einen großen Mann mit guten Job, dann macht das Männer zu Versorgerobjekten oder sexobjekten?
Und wenn eine Frau sagt „Männer sind Schweine“ spricht ihnen das die Menschlichkeit ab?
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Hallo Christian
Entschuldige, wir haben deinen Kommentar erst jetzt gesehen. Danke für deine Frage!
Wenn beide Seiten die Sprüche ok finden, dann ist das weniger ein Problem. Leider sind viele sexuelle Sprüche (sowohl unter Freunden, als auch am Arbeitsplatz) verletzend und nicht angebracht. Wenn das Gegenüber zudem noch sagt, dass sie/er die Sprüche nicht gutheisst, muss dies unbedingt respektiert werden.
Liebe Grüsse aus der Redaktion
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Damit würde sie schon ein ziemlich konservatives Rollenverständnis bedienen und dem Mann einen gewissen Versorgerstatus zuordnen, ja. Zu einem Sexobjekt macht sie ihn damit aber noch nicht, sie reduziert ihn ja nicht auf seine sexuellen Reize. Ich finde auch, wenn jemand sagt „Männer sind Schweine“ kann man das noch nicht den dargestellten Sprüchen gleichsetzen. Das ist halt einfach ein Ausdruck (wenngleich ein ziemlich dummer), der aber nicht auf die persönliche Ebene geht.
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Das schöne ist ja: es gibt mäßig Sprüche in beide Richtungen.
Und in vielen Fällen sind die schlicht frotzelei.
Gerade dann wenn man meint, dass Frauen nur zum blasen gut sind ist es erkennbar ein Spruch.
Sie finden teilweise ihr äquivalent in Sprüchen wie Schlappschwanz oder Versager, aber auch in Vorstellungen, was ein „echter Mann“ alles machen muss
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