Kulturschock Kiel?

Bis Ende August lebe ich für ein Erasmussemester in der deutschen Küstenstadt Kiel. Nach drei Wochen wage ich eine erste Bestandsaufnahme und halte fest, was mich hier begeistert, was mich nervt und was mich überrascht hat.

Von Angelika Imhof

1 Der öffentliche Verkehr ist teurer als in der Schweiz

Tatsächlich: Eine Einzelfahrt kostet hier 2.60 Euro! Da bin ich ganz froh, fahre ich mit meinem Studentenausweis umsonst. Was nervt: Bei jeder Fahrt muss man vorne einsteigen und sein Ticket vorweisen.

Dafür umso toller, dass mit dem Studentenausweis auch die Fähre nichts kostet und die schönen Strände rund um Kiel somit leicht erreicht werden können.

2 Das Meer ist in der ganzen Stadt präsent

Auch wenn man die Kieler Förde (Ostsee-Arm) natürlich innerhalb der Stadt nicht jederzeit sieht – ihre Präsenz ist dennoch spürbar. Zum Beispiel wenn die grossen Schiffe nach Göteborg oder Oslo ablegen und das geblasene Schiffshorn durch die ganze Stadt dröhnt.

Oder wenn das Möwenkreischen so laut ist, dass während der Vorlesung die Fenster geschlossen werden müssen. Fun Fact: Auf den Unigebäuden wurden wehende Adler-Attrappen installiert, welche die Möwen verscheuchen sollen. Eine Woche hats funktioniert – dann haben die Möwen gecheckt, dass die Adler nicht besonders angriffslustig sind.

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3 Die Innenstadt ist herrlich hässlich

Wer prächtige Fassaden aus der Gründerzeit liebt, der wird in Kiel enttäuscht. Grosse Teile der Stadt wurden im 2. Weltkrieg zerbombt, weil der Marinestützpunkt Kiel eine U-Boot Produktionsstätte war und deshalb zerstört werden sollte. Nach dem Krieg wollte man eine moderne Stadt aufbauen und hat grösstenteils auf die Rekonstruierung der alten Bausubstanz verzichtet. Das Resultat sind minimalistische 50er-Jahre Bauten aus Backstein oder Beton ohne jegliche Ornamentik. Das war mal avantgardistisch und befreiend – heute wirkt es leider eher schäbig und trist.

4 Deutsche Sprache, schwere Sprache

Ich muss feststellen, dass sich meine Schweizer Herkunft immer wieder bemerkbar macht. Einige Beispiele.

  • Ich sage: „Er kommt von Italien.“ Hier heisst es: „Er kommt aus Italien.“
  • Die Aussprache von Balkon. Ich: „Balkooon“ Hier: „Balkong“
  • Der Klassiker – die Aussprache von China. Ich: „Kina“ Hier: „Schina“
  • „klein“ heisst hier auch „lüt“
  • „Morgen“ heisst hier „Moin“
  • Anstatt „durch die Gegend laufen“, heisst es hier gerne auch: „durch die Gegend steppen“
  • Ich sage: „Es hat noch Reste.“ Hier heisst es: „Es gibt noch Reste.“

5 Sport mal anders: Treppenhausrennen und Quidditch

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That’s the one.

Zur Uni gehört unter anderem ein Hochhaus mit 14 Stockwerken und 261 Stufen. Einmal im Jahr wird dieses genutzt, um darin ein Treppenhausrennen zu veranstalten. Allez.

Ausserdem ist Kiel die einzige deutsche Uni, an der Quidditch gespielt werden kann. Da die meisten allerdings auch hier Muggels sind, leider ohne Besen.

6 Briefe werden an der Haustür eingeworfen

Anstatt die Post in Briefkästen vor dem Haus zu werfen, schieben die Postboten & Postbotinnen die Briefe durch die Türschlitze der einzelnen Wohnungen. Da die Wohnhäuser hier gern mal fünf bis sechs Stockwerke hoch sind, ein ganz schön anstrengender Job.

 

7 Charmante, gemütliche Cafés

Sehr zu meiner Freude gibts in Kiel ganz viele tolle Cafés. Viele sind sehr liebevoll gestaltet und legen Wert auf ein saisonales Bio-Angebot. Ausserdem ist Filterkaffee hier Standard und auch Bananenbrot habe ich schon an verschiedenen Orten endeckt – beides ist bei uns noch eher selten vertreten.

 

8 Überraschungsfilme im Kino schauen

Eine meiner bisherigen Lieblingsveranstaltungen ist das „Sneak“ jeden Mittwochabend im Studio Filmtheater. Man bezahlt 5.50 Euro Eintritt, weiss aber nicht, welcher Film gezeigt wird – nur dass es einer ist, der demnächst anläuft. Bei meinem Besuch hatte ich leider eher Pech (es lief Gringo), aber ich versuchs sicher nochmal.

 

 

 

 

 

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