Der Lockdown und das dahinschleichende Ende ihrer Jugend haben unsere Autorin nostalgisch gemacht. Sie blickt zurück auf die Samstagnächte als sie 17 Jahre alt war und mit ihrer besten Freundin in die frühen Morgenstunden hineintanzte.
Von A. für A.
Heute sitzen wir auf gepolsterten Kissen und kuscheln uns in Nostalgie. Damals waren wir jung und wussten es nicht.
Man traf sich unter’m Tor, dem gebogenen. Im Sommer setzten wir uns an den See auf den warmen Asphaltboden vor dem Kunsthaus. Im Winter drehten wir im 7er, 8er oder 6er Bus Endlosschlaufen. Aus einem zuhause abgefüllten Petfläschli tranken wir billigen Whiskey, dessen Geschmack wir nicht mochten, seine Wirkung dafür umso mehr. Diese Stunden, bevor es losging, waren manchmal das Beste, was die Nacht zu bieten hatte. Es waren Stunden der Vorfreude, der Verheissung, durchtränkt von einem sich potenzierenden Freundschaftsgefühl – und Hochprozentigem.
Selbstentrückte Ekstase
Gegen 23 Uhr stellte man sich an, nervös, wenn mit gefälschtem Ausweis, stolz, wenn mit eigenem. Musik, Hitze und Zigarettenrauch schwabten uns entgegen und ergaben einen besseren Cocktail als wir ihn uns an der Bar je hätten leisten können. Wir quetschten uns durch die dunklen, dampfigen Räume voller schwitzender Leiber, die zu wummernden Bässen zuckten. Wir wollten Teil dieses keuchenden, ekstatischen Organismus werden und zwar schnell. Die Jacken wurden unter Bergen anderer Jacken vergraben und dann galt es Position zu beziehen. Nicht zu weit hinten, nicht zu weit vorne, eben genau dort, wo die Meute kochte. Und wenn sie erst leicht waberte, dann musste man sie halt selbst zum Sieden bringen.
„time of our lives“
Augen schweiften, vermeintlich uninteressiert, doch in Wahrheit jeden Blickkontakt registrierend. Hallo’s mit Halb-Bekannten wurden ausgetauscht als seien sie das normalste der Welt, doch im grellen Licht der Mensa wären sie nicht mal denkbar gewesen. Und so tanzten wir durch die Nacht, in der Hoffnung auf ein Abenteuer, das uns Gesprächsstoff für die ganze nächste Woche liefern würde. Doch die allerbesten Nächte waren die, in denen wir auf nichts hofften und nur uns selbst genug waren. Wenn wir jeden Brit-Pop-Song mitsangen oder doch zumindest so taten. Wenn wir unter den Armen der anderen hindurchschwangen, führten oder versuchten uns voneinander führen zu lassen. Wenn wir noch einen Fünflieber auf die Theke klatschen, „e Stange!“ gegen den Lärm anbrüllten und uns selbstbewusst und unbesiegbar fühlten, wenigstens für ein paar Stunden. Wir tranken Bier, verschütteten es, tranken Wasser auf der Toilette und tanzten tanzten tanzten zu Mando Diao. Und am Ende des Abends blieben wir noch eine Stunde länger, denn: „Wir sind nur einmal jung“.
Die Nacht endete im Mc Donalds bei einer Portion Pommes oder in besonders draufgängerischen Nächten bei Chicken Nuggets und danach zuverlässig im Nachtbus, der uns zurück in unsere Käffer fuhr. Die Uhr neben dem Bett zeigte 3.15 Uhr oder 4.30 Uhr, wenn „Wir sind nur einmal jung“ zweimal gebrüllt worden war. Wir waren nur einmal jung. Es gab keine Fragen, ob wir die richtigen Zukunftsentscheidungen getroffen hatten, denn wir mussten noch keine treffen. Es gab nur diese Nacht und maximal die Prüfung in der kommenden Woche.
Fern-Freundschaft
Jetzt sitzen wir in verschiedenen Städten und der Sonntag vergeht, ohne dass wir erwarten, voneinander zu hören. Kein Festnetztelefoanruf erreicht uns mehr, niemand bespricht mehr zwei Stunden lang die Ereignisse der vergangenen Nacht. Entscheidungen wurden gefällt, wir haben uns in unsere jetzigen Leben geschmiedet und haben einander nicht mitgeplant. Plötzlich wurde es immer weniger selbstverständlich, die Samstagnächte miteinander zu verbringen, irgendwann weniger selbstverständlich sich einmal pro Woche zu sehen, irgendwann wurde auch die wöchentliche Textnachricht nicht mehr vermisst.
Für ein paar Jahre sind wir uns die Nächsten gewesen. Wir teilten stundenlange Gespräche, Lachanfälle, Umarmungen, Gefühle, vieles, nicht alles. Wir werden uns erhalten bleiben und noch viele Momente miteinander verbringen. Doch auf gewisse Weise werden wir immer vom Nebel unserer eigenen Vergangenheit umgeben sein und uns ein bisschen fühlen, als seien wir noch die von damals und gleichzeitig wissen, dass wir es nicht mehr sind.
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